Noch 94 Tage. 27. Januar 2008
Kathrin springt aus dem Bett, reißt das Fenster auf und sagt: „Das ist kein Wetter zum Laufen. Für einen schnellen Zehner schon gar nicht.“ Ich linse unter der Bettdecke hervor, sehe Regentropfen, die bei Windstärke 8 am Fenster vorbeizischen und ziehe mir die Decke wieder über den Kopf. Na klasse, das ist genau die Motivation, die ich heute brauche. Draußen braust ein orkanartiger Wind und ich muss daran denken, dass der Sommer genau 94 Tage hat; ein wirklich dämlicher Gedanke. Aber egal, und wenn es noch zu schneien anfängt: Heute greife ich an! Vor etwa einem Jahr habe ich mir das in der Hannover Vorbereitung auch schon gesagt und bin dann beim ersten schnellen Zehner mit 39:32 Minuten auf dem Radweg fast gestorben. Soviel dazu.
Beim Frühstück
reden wir über unsere gestrige Wanderung. Kathrin war nicht dabei und ich
erzähle ihr von diesem seltsamen Haufen von Kindern, Läufern und Hunden, die
sich durch den Duinger Wald bewegt haben. Wir schafften es tatsächlich, die
Kneipe zu erreichen, ohne nass zu werden. Die Stimmung war wie immer bestens.
Ich vermute, die meisten meiner Jungs sind vom vielen Laufen derart
endorphinüberflutet, dass sie einfach immer gute Laune haben.
Jörn hatte die
neue „Marathon und Mehr“ dabei und siehe da: Ein Teil meines
Röntgenlaufberichts ist dort abgedruckt und Jörn und ich sind im Foto
festgehalten. Klasse! Leider kein Wort über den Deutschlandsprint. Schade.
Dazu fällt mir spontan
mein Bild des Tages ein. Der Doktor hockt auf einer Bank und hält die
langhaarige Ronja fest umschlungen. Daneben sitzt Tewes und schmachtet Ronja
mit seinen rehbraunen Augen an. Herrlich. Ach ja, viele von euch wissen das ja
nicht: Ronja ist der Hund vom Doktor.
Nach dem
Frühstück gehen wir zunächst eine Runde spazieren. Der Hund ist genau so
motiviert wie ich und wirkt im Regen ein wenig lustlos. Ich hänge meinen
Gedanken nach. Ich habe letzte Woche ein paar Mal mit Karsten Milde, von
meinsportplatz.de telefoniert. Ich schaute anschließend ein bisschen ins Netz
und sah, dass der Glückspilz Haile Gebresselassie beim Berlinmarathon auf dem
Rad begleiten durfte. Den könnte ich doch heute anrufen. Eine Radbegleitung
wäre bei dem Wetter und meiner Vorfreude jetzt genau das Richtige. In meinem
Kopf sehe ich einen Radfahrer, der mit aufgespanntem Regenschirm vor mir her
radelt, während ich elfengleich eine Bestzeit in den Asphalt schreibe. Ich
verwerfe den Gedanken wieder. Karsten wohnt viel zu weit weg und schließlich
bin ich ja auch nicht Haile.
Von meinen Jungs
kann ich keinen als Begleitung engagieren. Die würden mir das sofort als
Schwäche auslegen und mich mindestens ein Jahr lang damit aufziehen.
So gehe ich kurz
nach dem Mittag an den Start. Laufe mich zwei Kilometer ein und gehe, wie ein
Skiabfahrer, die Strecke im Kopf durch. Ich laufe auf dem Radweg zwischen
Delligsen, Grünenplan und Kaierde. Der Weg ist genau kilometriert und weist,
jedenfalls für unsere Mittelgebirgslage, nicht all zu viele Höhenmeter auf. Von
Kilometer 1 bis 4 geht es heute mit heftigem Rückenwind leicht bergab. Von 5
bis 8, bei kaum zu ertragendem Gegenwind, leicht bergauf.
Früher habe ich
diese Tempoläufe aus der kalten Hose gebolzt. Übertrieben gesagt hättet ihr
mich nachts um drei wach machen können, die 10 unter 40 gingen immer. Aber
diese Zeiten sind vorbei; leider. Heute muss ich mich mächtig ins Zeug legen,
um die Zeit zu schaffen. Also: Schauen wir mal. Denn, frei nach Peter Greif,
ist ja nur der ein Läufer, der die 10 Kilometer unter 40 Minuten laufen kann.
Der Rest muss sich leider in die Abteilung Jogger einordnen lassen.
Die ersten 5
Kilometer gehen in 19:07 Minuten weg. Wahnsinn. Dann kommen die drei leidvollen
Gegenwindkilometer. Ich lasse ein wenig nach, aber alles in allem ist es
ertragbar. Zum Schluss kann ich sogar noch ein wenig Zeit gut machen und bin
nach 38:55 Minuten im Ziel. Ein Gefühl, als würde der Wind verstummen, die
Wolkendecke aufreißen und ein Sonnenstrahl mir direkt ins Gesicht scheinen.
Man, bin ich gut!
Eine Stunde später sitze ich mit Kathrin vor dem Fernseher. Ein frisch gebackener Zwetschgenkuchen, den meine Mutter ihrem lieben Sohn vorbei gebracht hat, leistet uns Gesellschaft. Das Bauchgrimmen der vergangenen Tage ist verschwunden. Ich fühle mich gut. Ich habe die DVD vom Inferno Marathon 2007 eingelegt. Mario hat mir das Ding ausgeliehen, er ist letztes Jahr dort gestartet. Während wir uns mit Zwetschgenkuchen voll stopfen, beobachten wir Läufer, oder sollte ich besser sagen Geher, die auf über 3000 Meter Höhe ins Ziel wanken. Die Gesichter sprechen Bände. Ein wirklich hammerharter Wettkampf. Da wird mir wieder klar, dass wir hier in Delligsen nur eine Außenstelle von verrückten Läufern sind. Die Zentrale ist ganz woanders. Und zu guter letzt fällt mir zu der DVD ein: Mario! Meine Hochachtung! Du bist heute mein Held!
Inferno-Mario! Hut ab. Eine ganz starke Leistung!
Thomas Knackstedt
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